Wer seine Wurzeln nicht kennt, kennt keinen Halt. (Stefan Zweig)

DNA-Analyse überwindet toten Punkt

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Bereits vor mehr als einem Jahr habe ich, wie viele andere Familienforscher auch, eine DNA-Analyse durch Ancestry durchführen lassen. Und wie wohl die meisten anderen Familienforscher war ich über die Realität der DNA-Genealogie mehr als enttäuscht. Ancestry teilte mir zwar mit, dass es 3.876 "Matches" gibt, davon 84 "nahe Verwandte - Verwandte 4. und 5. Grades oder enger", doch die Suche nach Verwandten, die sich mit meinem Stammbaum "matchten" blieb ergebnislos. Nach einigen Monaten Beschäftigung mit dem Thema DNA-Genealogie liess ich das Thema zunächst einmal "ruhen" und versuchte weiterhin auf "herkömmlichem" Weg, also durch Suche in diversen Datenbanken und Analyse von Dokumenten den toten Punkt zu überwinden, den es ausgerechnet bei meinem eigenen Zweig der Familie Bemberg, die Aachener Linie 2, gab.

In Aachen wurde nämlich am 03.08.1729 ein Winandus von Bembergh geboren, zu dem keine weiteren Vorfahrendaten aufzufinden sind. Bis zu ihm zurück läßt sich die Aachener Linie 2 belegen. Doch in den mehr als 20 Jahren Familienforschung ist es mir nicht gelungen, die Verbindung zum Stamm der Familie Bemberg herzustellen. Eine Verbindung zu der Kölner Linie, von der im 18. Jahrhundert einige Mitglieder als Kaufleute in Aachen tätig waren und zeitweise auch in Aachen wohnten, ist nachweislich nicht gegeben. Und zu den anderen Zweigen der Familie bestand ein zeitliches Gap von ca. 70 - 90 Jahren, in dem im Aachener Raum keine Bembergs auffindbar sind. Also Frust auf ganzer Linie.

Doch gegen Ende 2021 teilte Ancesty mit, dass sie die vorhanden DNA-Daten einer tieferen Analyse und einer Clusterung unterzogen hätten. Das bedeutet, dass die Personen mit Matches in den DNA-Daten in Gruppen zusammengefasst und einem lokalen Raum zugeordnet wurden, also in Gruppen von Personen zusammen gefasst wurden, deren Vorfahren wahrscheinlich aus dem selben Ort oder der selben kulturellen Gruppe stammen. Mein Erstaunen war ziemlich groß, als ich als Ergebnis meiner DNA-Analyse erfuhr, das die Auswertung meiner eigenen DNA (als Zugehöriger zur Aachener Linie 2) folgenden Abstammungsmix zeigt: 57% England und Nordwesteuropa, 16% Deutschsprachige Regionen Europas, 5% andere Regionen. Die weitergehende spezifische Zuordnung führt zur Zuordnung zur DNA Community Moseltal/Saarland, die derzeit 118.352 AnchestryDNA-Mitglieder umfasst, also einem lokalen Raum, in dem bisher kein Namensträger Bemberg aufgetreten sind, mit einer Ausnahme: Henrich vom Bembergh im Kalversiepen, der nach den Eintragungen in den Hattinger Kirchenbüchern am 5 August 1624 nach Berncastel/Mosel zur Heirat mit Anna Bungartz, der Tochter eines Berncasteler Bürgers entlassen wurde. 

DNA Kerngebiet MoseltalHenrich ist ein Sohn von Henrichs vom großen Bembergh (A4) und Enkel von Hiltgen zum Bemberg (B3), also einer der Urahninnen der Familie Bemberg vom Bemberghof. Den Namenszusatz "im Kalversiepen" trug Henrich wahrscheinlich deshalb, weil er auf dem Hof im Kalversiepen geborenen (allerdings in Hattingen getauft) wurde. Der Hof Kalversiepen wird bereits in der Vogteirolle des Grafen Friedrich von Isenberg um 1220 aufgeführt und ist heute der Name einer Straße in Velbert-Langenberg, an der der Hof liegt. Die Entlassungsdaten aus den Hattinger Kirchenbüchern sind allerdings auch die einzigen Personendaten, die von Henrich vorliegen. Aber das Besondere ist jedoch die Tatsache, dass Berncastel/Mosel (heute Bernkastel-Kues) in dem Kerngebiet der DNA Community Moseltal/Saarland liegt. Doch damit ist das zeitliche Gap bis zu Winandus von Bembergs Geburt immer noch nicht überbrückt. Zwischen Henrichs Hochzeit und Winandus Geburt ist immer noch ein Zeitraum von etwa 100 Jahren, also 3-4 Generationen ungeklärt und es stellt sich die Frage, wieso in diesem lokalen Bereich keine weiteren Personendaten von Henrich zu finden sind.

Die Antwort lieferte schließlich die Geschichte von Berncastel/Mosel. Nur 3 Jahre nach Henrichs Hochzeit mit Anne Bungartz wütete im Berncastel und Umgebung der "Schwarze Tod", die Pest, dem viele Einwohner zum Opfer fielen, so dass die Aufzeichnungen in den Pfarrregistern der katholischen Gemeinde in Berncastel mit ihrer Pfarrkirche St. Michael mit großer Wahrscheinlichkeit "vernachlässigt" wurden. Der »Schwarze Tod« hat in der Berncasteler Umgebung ganze Dorfgemeinschaften ausgelöscht. Die Dörfer existierten teilweise noch bis in das 18. Jahrhundert hinein als Geisterdörfer. Und was war naheliegender, als vor der Pest zu fliehen, und zwar nach Norden in die Eifel und damit in Richtung Aachen, wohin die Weinbauern des Moseltals schon vielen Jahrzehnten ihr Produkt "Wein" verkauften und wohin eine nahezu direkte Straßenverbindung führt.

Und genau hier findet sich wiederum ein Namensträger Bemberg, der bisher nicht zugeordnet werden konnte: Hiendrich von Bembergh! Hiendrich von Bembergh dürfte ca. 1640 geboren sein, ist somit der wahrscheinliche Sohn aus der Ehe Henrich vom Bembergh im Kalversiepen ∞ Anna Bungartz. Er wird am 25. Januar 1667 als Vater des Täuflings (ohne Vorname) von Bembergh im Kirchenbuch der katholischen Gemeinde Kornelimünster bei Aachen aufgeführt. Mutter des Täuflings ist Anna Wagemann.

Doch auch zu Hiendrich und seinem Sohn N.N. von Bembergh sind bisher keiner weiteren Lebensdaten gefunden worden. Das Geburtsjahr 1667 von N.N. von Bembergh lässt aber den naheliegenden Schluss zu, dass er der Großvater oder Vater des 1727 in Aachen geborenen Winandus von Bembergh ist.

Dass auch für ihn und seinen Sohn in der die Folgezeit bis 1729 keinerlei Personendaten  zu finden sind, ist vermutlich in einer weiteren Katastrophe begründete ist, der 1656 nahezu alle Personendaten in Aachen zum Opfer fielen – dem großen Stadtbrand von Aachen am 02.05.1656, bei dem etwa 80% der Stadt und mit den Kirchen fast alle kirchlichen Dokumente (Kirchenbücher) verbrannt sind. Aachen befand sich zur Lebenszeit des N.N. von Bembergh und seinem unbekannten Sohn (missing link) im Wiederaufbau nach dem großen Brand. In dieser Zeit wurden auch die Aachener Kirchen wieder aufgebaut. Und erfahrungsgemäß ist in Kathastrophenzeiten und Zeiten des Wiederaufbaus die "Dokumentation" das Letzte, dem die Menschen ihr Interesse widmen. Die Beschaffung eines neuen Heims und ausreichend Kleidung und Nahrung ist für die Betroffenen wesentlich naheliegender. Erst nach dem Aufbau der Kirchen und mit der Wiederherstellung der Kirchengemeinden konnten dann auch wieder die Kirchenbücher geführt werden.

Ob unter diesem Aspekt zu den „von Bembergh“ aus Aachen weitere Daten gefunden werden können, ist aktuell unklar. Da jedoch eine schlüssige Indizienkette vorliegt, kann die dargestellte Familienverbindung als mit großer Wahrscheinlichkeit zutreffend angesehen werden. Und damit ist mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit der tote Punkt in meinem Familienzweig, der Aachener Linie 2, überwunden und den entscheidenden Hinweis hat die DNA-Analayse gegeben.